Wählen mit 16

Autor: Autokreacja

Anlässlich fast jeder Wahl, egal in welchem Land, stellen sich zahlreiche Fragen in der gesellschaftlichen Debatte. Die meisten Themen betreffen die Kandidaten oder Parteien, die an einer bestimmten Wahl teilnehmen, aber es lohnt sich auch, Diskussionen über formale Fragen zur Wahl Aufmerksamkeit zu schenken.

Hier gibt es einige: Soll die vorsätzliche Nichtteilnahme an Wahlen bestraft werden? Welches Wahlgesetz ist das beste? Soll es möglich sein, online abzustimmen? Und schließlich: Wie hoch sollte das Mindestalter für die aktive Teilnahme an Wahlen sein? Auf diesen letzten Aspekt möchten wir uns konzentrieren, indem wir die Argumente dafür und dagegen sowie die derzeitige Begrenzung des Wahlalters in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union betrachten und mögliche zukünftige Trends vorstellen.

Niedrigeres Wahlalter in der Europäischen Union?

Zunächst einmal ist zu betonen, dass es in der EU selbst keine Regelung gibt, die festlegt, ab welchem Alter die Bürger an Wahlen teilnehmen können. Die Entscheidung über das Wahlalter wird von den Mitgliedstaaten getroffen, auch dann, wenn es sich um eine Wahl zum Europäischen Parlament handelt. Interessanterweise schlug das Europäische Parlament im Jahr 2022 eine Reihe von Änderungen in Zusammenhang mit den Europawahlen vor, die von den EU-Mitgliedstaaten übernommen werden sollten. Einer der Vorschläge war die Herabsetzung des Wahlalters auf 16 Jahre. Bislang kann man in den meisten EU-Mitgliedsstaaten aber nach wie vor erst nach Vollendung des 18. Lebensjahres (spätestens am Wahltag) wählen, und zwar quasi unabhängig davon, um welche Wahlen (Parlaments-, Präsidentschafts- oder Europawahlen) es sich handelt.

Das bedeutet aber nicht, dass es in der EU keine Ausnahmen von dieser Regel gibt, im Gegenteil. Derzeit können 16- und 17-Jährige an den Wahlen zum Europäischen Parlament in Österreich (seit 2007!), Malta und Belgien teilnehmen. In Griechenland kann man ab 17 bei nationalen Wahlen abstimmen. Im Jahr 2022 verpflichteten sich die deutschen Behörden zudem, das Wahlrecht bei der Europawahl auf 16 Jahre zu reduzieren.

Wie man jedoch sieht, ist die Gruppe der EU-Länder, die beschlossen haben, das Wahlalter zu senken, immer noch überschaubar. Was sind die häufigsten Argumente für und gegen eine Absenkung des Wahlalters?

Pro

Das Hauptargument der Befürworter einer Änderung des Wahlgesetzes ergibt sich aus dem Wesen der Demokratie, nämlich die Macht in die Hände der Bürger zu legen, und zwar implizit in die Hände des größten (und damit repräsentativsten) Teils von ihnen. Das kann natürlich nicht die völlige Abschaffung eines Wahlalters bedeuten, denn man muss die menschliche Entwicklung berücksichtigen und kann wichtige Entscheidungen nicht in Kinderhände geben.

Bei 16-Jährigen sprechen wir jedoch in der Regel von Menschen, die sich des gesellschaftlichen und politischen Lebens in ihrem Land voll bewusst sind und sich daran beteiligen. Eine Gruppe, auf die in diesem Zusammenhang immer wieder Bezug genommen wird, sind Klimaaktivist*innen, oft in diesem Altersbereich, die sich aktiv im Kampf gegen die Klimakrise engagieren, die das potenziell größte Problem der modernen Welt darstellt. Wenn diese Menschen hunderte von Aktionen, Protesten oder Sammlungen organisieren und sich der Klimabedrohung viel stärker bewusst sind als viele Erwachsene, warum sollten sie dann nicht in der Lage sein, ihre Meinung auch bei Wahlen zu äußern?

Das zweite Argument ergibt sich aus dem Alter dieser Menschen und dem Versuch, die Wahlen wirklich für verschiedene soziale Gruppen und Altersgruppen abzuhalten. Nicht wenige EU-Länder haben mit einer alternden Bevölkerung zu kämpfen – ältere Menschen machen einen wachsenden Anteil der Bürger aus, was sich auch in Wahlen niederschlägt. Jüngeren Menschen die Teilnahme an Wahlen zu ermöglichen, wäre eine Art Ausgleich zu diesem Trend. Es würde die Politiker auch ermutigen, ihre Wahlversprechen auf die Zukunft und nicht nur auf die Gegenwart zu konzentrieren, denn es sind die heutigen 16- und 17-Jährigen, die mit den Folgen der Entscheidungen zu kämpfen haben werden, die aktuell aber von älteren Menschen für sie getroffen werden.

Ein weiteres Argument bezieht sich auf die Wahlbeteiligung, die in vielen EU-Ländern (es sei denn, es besteht Wahlpflicht) recht durchschnittlich sein kann, so dass wichtige Entscheidungen wirklich nur von einem Teil (auch wenn es immer noch die Mehrheit ist) der Gesellschaft getroffen werden. Eine Herabsetzung der Altersgrenze wäre ein Signal, dass sich die Regierung auch um die Stimme junger Menschen kümmert, was sie ermutigen könnte, an den nächsten Wahlen teilzunehmen und eine Art Wahlgewohnheit zu entwickeln, die sich positiv auf die Wahlbeteiligung auswirkt.

Contra

Diejenigen, die die Idee einer Absenkung des Wahlrechts auf 16 Jahre kritisieren, betonen, dass es nicht ohne Grund in praktisch jedem Land eine bestimmte Altersgrenze gibt, ab der man Alkohol und Zigaretten kaufen, Auto fahren oder eben auch an Wahlen teilnehmen darf. Obwohl sich die Menschen natürlich unterschiedlich schnell entwickeln und es schwierig ist, eine klare Grenze in Bezug auf Reife zu setzen, sollten solche wichtigen Entscheidungen von Menschen getroffen werden, die sich ihrer Entscheidungen bewusst sind und reif genug sind, um ihre Bedeutung und mögliche Konsequenzen zu verstehen.

Die Frage der Reife weckt auch Zweifel, ob solche jungen Menschen nicht zu anfällig für Manipulationen durch Politiker wären, denn ohne Erfahrung ist es viel einfacher,  Versprechen zu glauben, auch wenn sie populistisch oder einfach unrealistisch sind. Vor allem, wenn man bedenkt, wie groß die Präsenz junger Menschen in den sozialen Medien ist, wo Fake News und ungeprüfte Informationen weit verbreitet sind.

Es gibt auch immer wieder das Argument, dass junge Menschen sich einfach nicht für Politik interessieren und deshalb auch nicht zur Wahl gehen wollen. Einige erklären auch, dass eine Herabsetzung des Wahlalters auf 16 Jahre in einigen Ländern formal schwierig wäre, weil dies eine Änderung der Bestimmungen in der Verfassung erfordern würde.

Was bringt die Zukunft?

Die oben genannten Argumente beider Seiten zeigen, dass es schwierig ist, eindeutige Lösungen zu finden, und manche Hoffnungen und Ängste lassen sich einfach nicht vereinbaren. Es ist im Interesse aller EU-Bürger, dass Wahlen auf möglichst demokratische Weise und mit der höchstmöglichen Wahlbeteiligung stattfinden. Es ist jedoch wichtig, sich an die Notwendigkeit zu erinnern, bestimmte Sicherheitsbarrieren aufrechtzuerhalten und Populismus sowie Extremismus zu verhindern.

Dank zahlreicher europäischer Projekte, der Möglichkeit des freien Grenzübertritts oder der einfachen Kommunikation fühlen sich immer mehr junge Menschen mit der Europäischen Union und ihren gemeinsamen Werten verbunden.

Junge Menschen sind ein sehr wichtiger Teil unserer Gesellschaft, der nicht unterschätzt werden sollte. Daher ist zu erwarten, dass in naher oder ferner Zukunft Entscheidungen zur Herabsetzung des Wahlalters auf 16 Jahre getroffen werden, obwohl das Tempo und der Umfang solcher Änderungen natürlich schwer vorherzusagen sind. Es sei jedoch daran erinnert, dass solche Diskussionen (auch wenn sie nicht einfach sind) uns als europäische Gesellschaft vereinen und nicht spalten sollten. Unabhängig vom Alter.

Quellen:

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