Fünf Fragen an Correctiv-Fakten-Checkerin Uschi Jonas
Leipzig/Berlin – Falschmeldungen kursieren überall in der Online-Welt, vor allem in den Sozialen Medien. Das Portal “Correctiv” beschäftigt sich täglich mit diesem Phänomen und setzt ein Fakten-Checker-Team ein, um zu recherchieren.
“We Europeans” wollte von Uschi Jonas, die das Fakten-Checker-Team leitet, wissen, was sich seit der Corona-Pandemie verändert hat und wie ihre Redaktion arbeitet.
Wie werdet Ihr auf Falschinformationen aufmerksam?
Wir kümmern uns fast ausschließlich um Desinformation, die sich in Sozialen Netzwerken verbreitet. Deshalb haben wir alle Plattformen und einschlägige Accounts und Kanäle, die uns bekannt sind, im Blick und betreiben dort Monitoring. Das heißt, jeder aus unserem Team schaut sich morgens auf einer der Plattformen um — Telegram, Facebook, Twitter, Tiktok, Youtube usw. — und betreibt eine Erstrecherche zu potenziellen Falschbehauptungen, die uns begegnen. Dann besprechen wir das Ganze in unserer Morgenkonferenz. Wir haben aber auch einen Whatsapp-Chatbot, über den uns Leserinnen und Leser Hinweise auf potenzielle Falschmeldungen zuschicken können, die wir uns dann ebenfalls anschauen. Den Bot findet man hier: Kriterien die in unsere Entscheidung einfließen, ob wir etwas checken oder nicht, sind
- Vitalität — sprich wie stark wird ein Thema geteilt oder gesehen?
- Relevanz — sprich ist es zum Beispiel ein Thema, das sich auf aktuelle Ereignisse bezieht?
- Potenzieller Schaden — sprich schadet eine Falschinformation einzelnen Personen, Gruppen oder Minderheiten?
Seit wann sind Fake News ein Thema?
Desinformation ist in keinster Weise ein neues Phänomen, aber die Funktionsweise Sozialer Netzwerke und die Corona-Pandemie haben befeuert, dass Falschbehauptungen nicht mehr nur in den hintersten Ecke des Internets zu finden sind. Die Funktionsweise und Algorithmen Sozialer Netzwerke erzeugen Echokammern, die für ein verzerrtes Weltbild sorgen können und dafür sorgen, dass stark emotionalisierende Beiträge — wie es Desinformation meist ist — viraler gehen als andere. Und die Pandemie hat Falschmeldungen zusätzlich mehr denn je zu einem Massenphänomen gemacht. Corona wurde plötzlich zum einzig bestimmenden Alltagsthema. Das hat befeuert, dass Falschmeldungen in Gesellschaftskreise vorgedrungen sind, die bislang dafür nicht anfällig waren. Außerdem wurden die Themen durch die Corona-Krise hochkomplex und wissenschaftlich. Wir alle waren davon betroffen, aber die wenigsten haben Expertise für die wissenschaftlichen Details oder um Inhalte valide nachzuprüfen. Genau das nutzten diejenigen aus, die Falschinformationen in die Welt setzten. Und: Zu Themen wie Migration oder Klimawandel kursieren seit Jahren Falschbehauptungen in Deutschland, aber Narrative, die im Zuge der Pandemie teilweise über Monate kursiert sind, zeigten, wie stark Desinformation zur politischen Mobilisierung genutzt werden kann.
Was hat die Corona-Pandemie für Euch verändert?
Die Corona-Pandemie hat auf jeden Fall die gesellschaftliche und politische Aufmerksamkeit für die Problematik und Gefahren rund um Desinformation massiv verstärkt — und das führt im Umkehrschluss natürlich auch dazu, dass wir mehr gehört werden.
Was sind die Themen, um die sich aktuell die meisten Falschinformationen drehen?
Der Beginn des Ukraine-Kriegs im Februar 2022 hat das Hauptthema Corona-Pandemie erstmal komplett verdrängt, zu Beginn waren es vor allem Falschmeldungen, die das Kriegsgeschehen vor Ort betreffen, mit der Zeit hat sich der Fokus im deutschsprachigen Raum verschoben hin zu Themen, die indirekt mit dem Krieg zusammenhängen — wie Energiekrise, Desinformation rund um Geflüchtete aus der Ukraine oder die Politik des Westens. Aber auch der ukrainische Präsident Selenskyj oder Erzählungen, die die großen Narrative des Kreml bestärken sollen, wie Nazis in der Ukraine, begegnen uns immer wieder. Dauerbrenner bleiben auch Themen rund um den Klimawandel oder im Zusammenhang mit aktuellen Ereignissen wie derzeit zum Beispiel die Unruhen in Frankreich.
Welche 3 Tools muss jeder kennen, der checken will, ob eine Nachricht richtig oder falsch ist?
Ich würde sagen, vor allem ein Tool ist sehr hilfreich und wir nutzen es selbst ständig in unserer Arbeit: Die Bilderrückwärtssuche — die lässt sich ganz einfach über Suchmaschinen wie Google, Tineye, Yandex oder Bing nutzen und hilft oft sehr schnell, um herauszufinden, ob ein Foto manipuliert wurde oder in einen falschen Kontext gesetzt. Es gibt ansonsten noch sehr viele Tools, aber die meisten davon sind nur dazu da, um zu unterstützen, am Ende braucht es immer menschliche Recherche, um etwas als Falschbehauptung zu entlarven. Daher mein Tipp: Quellen checken! Gibt es eine Quelle für eine Behauptung — und wenn ja, erscheint sie einem glaubwürdig oder gibt überhaupt das wieder, das behauptet wird?
Foto Credit: Ivo Mayr/CORRECTIV